Ausgrabung

Die Närrische Zeit beschränkte sich in den erstmals schriftlich überlieferten Zeiten überwiegend auf Montag und Dienstag, denn wir befinden uns im „Nachkriegs-Schneeberg“, wo noch keinem so recht nach Feiern zumute war. Am Morgen des Faschingsdienstags suchte die Narrenschar - bekleidet mit Gehrock und Zylinder - im Verbund mit der Musikkapelle die „Faschelnacht“ (so sagen die Schneeberger und Amorbacher zur Fastnacht). Diese war und ist auch heute noch eine Strohpuppe, die, wie auch immer bekleidet, an einem Stock getragen wird. Schon die Fertigung der Strohpuppe war zu dieser Zeit eine Herausforderung, da sowohl ein Leinensack und auch Stroh damals ein teuer gehandelter Rohstoff war. Nach Aussagen eines Zeitzeugens stammte das Stroh von einem, dessen Eltern gerade nicht Zuhause waren. Einmal gab es auch Probleme, da die Haltestange vom elterlichen „Krautstampfer“ verwendet wurde.

Die gesuchte „Faschelnacht“ befand sich früher immer an der gleichen Stelle. Anschließend ging es mit einem Umzug durch die Ortsstraßen. Der Weg führte zur Schule, was zur Beendigung des Unterrichtes führte, um die Kinder am Umzug teilnehmen zu lassen. Die Ausgrabung endete, wie sollte es auch anders sein, in einer der vielen vorhandenen Gaststätten, bis das eigentliche Faschingstreiben mit den Ortssängern am Nachmittag begann, zu dem man erneut durch die Ortschaft zog.

Heimatarchiv Schneeberg
Die Ausgräber in der Nachkriegszeit
Heimatarchiv Schneeberg
Die Strohpuppe ist fester Bestandteil der Feierlichkeiten

Dieser Brauch der Ausgrabung wurde viele Jahre lang am Faschelnachtsdienstag durchgeführt, erst Ende der 70er Jahre ging man dann schon am Samstag vor Fastnacht auf die Suche. Anfang der 90er gab es eine erneute Veränderung: die Verantwortlichen waren der Meinung, die Faschelnacht müsste ja wohl als erstes ausgegraben werden, bevor es richtig mit dem Feiern losgehen konnte. Deshalb ist seitdem die Ausgrabung in Verbindung mit dem Prinzenpaarempfang die erste Aktivität der FG, die immer an einem Samstag kurz nach Dreikönig stattfindet. Dazu finden sich mehrere hunderte Zuschauer in der Ortsmitte ein, um das Prinzenpaar zu begrüßen. Wer dies ist, ist eines der bestgehütesten Geheimnisse in Schneeberg.

Für die Ausgrabung verantwortlich ist eine recht große Abordnung männlicher Burschen, die „Faschelnachtsausgräber“ genannt werden. Mit großem Aufwand und viel Tamtam wird der richtige Weg vom Meilestein zum versteckten Lagerort der „Faschelnacht“ gesucht und letztendlich auch gefunden.

Natürlich sehen die Faschelnachtsausgräber der Neuzeit anders aus als früher. Damals war das ein Nebenjob für ein paar wenige Männer, heute wird dafür in Schneeberg ein ganzer Bautrupp beschäftigt. Nur nach Befolgung strengster Richtlinien und dem offiziellen Stellen eines Aufnahmeantrages (an dem schon einige gescheitert sein sollen) kann man in den erlauchten Kreis um den jeweiligen Oberausgräber aufgenommen werden.

Für einen Ausgräber ist die höchste Weihe, die er erhalten kann, dass er für eine Kampagne Träger der „Faschelnacht“ ist. Nur gestandene Männer können diesen Job erfüllen, müssen Sie doch dafür sorgen, dass die „Faschelnacht“ bei jeder offiziellen Veranstaltung des Vereines dabei ist und vor allem, dass diese während der Saison nicht geklaut wird. Schon oft mussten der Träger oder die Ausgräber die Strohpuppe für ein paar Kisten Bier oder ähnlichem bei den Dieben aus der Nachbarschaft auslösen.

Heimatarchiv Schneeberg
Die Ausgräber aus dem Jahr 2023
Heimatarchiv Schneeberg
Damals wie heute, die Strohpuppe im Mittelpunkt der Faschelnacht

Verbrennung

Seit Menschengedenken wird in Schneeberg an Faschelnachtsdienstag die Faschelnacht verbrannt. Mit diesem Akt wird beendet, was am Prinzenpaarempfang mit der Ausgrabung begann. Dass dies schon früher so war, kann man bei Josef Knapp nachlesen. So schreibt er u.a. über seine Jugendzeit im Odenwald 1944-54:
„Schpät obends is dann die Faschelnaacht beerdicht worn. In dem Johr war des hinne an de Brücke beim Henneschuster. Dort is es Mühlbechle in die Bech gflosse un derekt unner de schmale Brücke do war zwüsche de Bech un em Mühlbechle e gröüßeres Dreick. Dort hebbe se die Faschelnacht verbrennt. Un dodezu hot enner e Oschsproch ghalte wie en Parr un die annern die hebbe gjammert un ghäült.“

Und so läuft dieser Akt heutzutage bei uns Krabbe ab. Um 19:00 Uhr trifft sich alles am Meilenstein in der Ortsmitte. Zumeist kommen die Schneeberger Musikanten sehr „knapp“, weil sie vorher zum Nachtessen in einem örtlichen Gasthaus waren, aber sie kommen. Ohne die Musiker würde es auch nicht gehen, denn sie spielen auf dem nächtlichen Zug durch das Ort einen herzzerreisenden Trauermarsch.

Zumeist recht stumm folgt die närrische Schar den Ausgräbern, die mit der „Faschelnacht“ an der Spitze des Zuges laufen. Viele Elferräte tragen an diesem Abend ihre Elferratskappen verkehrt herum. Manche altehrwürdigen Elferräte sagen, das war früher immer so. Andere Altehrwürdige sagen, das war früher nie so. Mer weeß ess efach net!!

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Nach einer Abschlussrede wird der Scheiterhaufen angezündet
Heimatarchiv Schneeberg
Die Trauergemeinde verabschiedet sich von der fünften Jahreszeit

Am Verbrennungsplatz (heute auf dem Bolz- oder Parkplatz neben dem Festzelt) angekommen, ist schon alles vorbereitet. Ein großer Berg aus Kartonage und Stroh wartet auf die Trauergemeinde.

Nun spricht der Präsident viele blumige Dankesworte und bittet zum Schluss die Ausgräber, dass sie nun die Faschelnacht verbrennen sollen. Trotz vieler Missfallenskundgebungen und Buhrufe aus dem anwesenden Narrenvolk schreiten sie zur Tat. Der Scheiterhaufen wird angebrannt, die Musikanten spielen und die entkleidete Strohpuppe wird verbrannt. Die Prinzenpaare (und oft auch das Gefolge) verdrücken meist ein paar Tränen.

  • Konzeption: Bernhard Pfeiffer
  • Quelle: FG Schneeberger Krabbe e.V.
  • Foto: Gemeindearchiv Schneeberg, Martin Häfner, Kurt Repp
Ausgrabung und Verbrennung der „Faschelnacht“ https://heimatarchiv-schneeberg.de/images/header/fasching.jpg#joomlaImage://local-images/header/fasching.jpg?width=2500&height=884 Super User

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