Das Dorf- und Centgericht

Für die Zuständigkeit der verschiedenen Gerichte waren Art und Schwere des Vergehens ausschlaggebend.

Bagatellsachen und kleinere Rechtsstreitigkeiten, wie z. B. Streitigkeiten unter den Nachbarn, verhandelte das Dorfgericht. Ihm unterstanden jedoch auch in 1. Instanz die „4 Cent Articulen als Mordgeschrey, bindbare Wunden, beweister Diebstahl und alles was die Ehr betrifft." In früheren Jahrhunderten fand das Dorf- bzw. Untergericht 4 mal jährlich statt, im Jurisdiktionalbuch von 1668 ist nur noch von jährlich zwei Gerichtsterminen die Rede. Das Gericht setzte sich zusammen aus dem Schultheißen und den 7 Gerichtspersonen, gehegt wurde es von Kurmainz und dem Kloster. Unter der Leiningenschen Herrschaft bestand das Dorfgericht aus dem Schultheißen, zwei Gerichtspersonen und dem Bürgermeister.

Den Aufgabenbereich erläuterte Hauptschultheiß Breunig in der Umfrage von 1806: „Die Gerichte urteilen die geringeren Klagen, wehrten und versteigern alle Güther Käufe und Verkäufe, durch ihre Obsorge mußte das herrschaftliche Interesse nach Pflichten in Taxation besorgt werden, und durch die Atestaten richtig gestellt werden. Sie besorgen den Kredit der Gemeinde durch Fertigung der Hypotheken zur Aushülfe der Hülfe nötigen, die müssen die herrschaftlichen Gülden, Zinsen und Schatzungen durch ab und zu Treiben helfen verwahren, sie müssen der Gemeinde ihre Gränzen, Gerechtigkeiten und andre desfallsige Gerechtsamen besorgen, ja müssen alles helfen thun was den Nutzen der Gemeinde und gnädigster Herrschaft betrifft".

Vergehen, auf die eine Strafe von bis zu 5 Gulden stand, wurden vor dem Schultheißen verhandelt, für alles was darüber lag, war das Vogteiamt Amorbach zuständig. Über schwere Delikte urteilte das Centgericht. Es verhandelte die strafrechtlichen Fälle gemäß der Halsgerichtsordnung Karls V.. Darunter sind neben Mord auch Delikte folgender Art zu verstehen: Landfriedensbruch, Ehebruch, Meineid, Verursachung eines Aufruhrs, schwere Gotteslästerung, Zauberei, Abtreibung der Leibesfrucht und vieles mehr.

Die 4 Centartikel, die zuerst vor das Untergericht kamen, wurden in 2. Instanz vor dem Centgericht verhandelt. Gehegt wurde dieses Gericht allein durch Kurmainz. Es war ebenfalls ein Schöffengericht, zu dem auch 2 Schöffen aus Schneeberg gehörten.

Ein Vergehen in Schneeberg, wie es uns in den Akten berichtet wird, möchte ich kurz erzählen. In einer Kellereirechnung von 1436 findet sich folgendes: „Der Hinken Herunk zu Sneidberg” muß dem Kurfürsten Strafe zahlen, „umb des willen, daß er gesagt hat der Herwige man horet jr zu daz kein ehe da mocht gesin und fand sich in wahrheit und er brocht die zwey in großen schaden". Der Herwig lebte demnach mit einer Frau zusammen, ohne daß eine Ehe bestand. Unklar ist jedoch, warum dann „Hinken Herunk" die Strafe bekam, denn er deckte doch den strafbaren Umstand auf.

Mit Rügstrafen hatte der zu rechnen, der die Eigentumsrechte anderer nicht beachtete, dazu zählten auch „Delikte" wie das Betreten einer fremden Wiese, oder das Fahren über eine Wiese oder einen Acker.

Unter den Cent- und Kriminalfällen im 17. und 18. Jh. sind folgende aufgeführt:

1685 - Der Diebstahl der Ampel in der Kirche zu Schneeberg
1699 - beging Josef Pfeifer aus Rondenflicken in der Schneeberger Kirche aus der Opferbüchse einen Diebstahl.
1690 - wird der Fall des Weilbacher Pfarrers verhandelt, der den Buben des Lorenz Mittnacht aus Schneeberg geschlagen hat.
1732 - eine Klage wegen des „gefährlich geschlagenen" Georg Horn zu Schneeberg.
1741 - kam es zur Schlägerei zwischen einigen Amorbacher und Schneeberger Jungen und den Klosterdienern auf der Kirchweih zu Schneeberg im Wirtshaus alda und auf der Schneeberger Wiese.

1804 löste das Organisationspatent die Centgerichte auf und an ihre Stelle traten 8 Justizämter, das nächstgelegene befand sich in Miltenberg. 1848 ging schließlich die gesamte guts- und standesherrliche Gerichtsbarkeit an den Staat über.


Das Saalgericht

Eine Besonderheit im Gerichtswesen stellt das Saalgericht dar, welches auch für Schneeberg zuständig war. Obwohl der Kurfürst als Territorialherr auch der Gerichtsherr war, unterstand das Saalgericht (auch Salgericht) ausschließlich dem Kloster. Es war Besetzer und Entsetzer dieses Gerichts und nahm alle Gerichtsbußen ein.

Die zentrale Aufgabe des Gerichts bestand darin, im gesamten kurmainzischen Amt Amorbach die Aufsicht über Ellen, Maße und Gewichte auzuüben und eventuelle Vergehen zu ahnden. Darüberhinaus oblag ihm auch die Fleisch-, Brot- und Mühlenbeschau. Die fünf Mühlen zu Amorbach (3 Mühlen), Schneeberg und Weilbach unterlägen einer strengen Kontrolle. Bei der ersten Jahressitzung des Saalgerichtes wurden ein Bäcker, ein Metzger und ein Rotgerber gewählt, die, so oft es von Nöten war, die Mühlen besichtigen sollten. Dabei sollen sie „mit dem eisen, so darzu gemacht, wie weit der stein von der zargen sein solle und wie die zarg sauber und geheb soll verklaubt sein. Das brot soll gleicher gestalt durch den schulthaisen und beseher auch zu rechter zeit besehen werden, laut derselbigen ordenung."

Anwesen Berberich
Anwesen Berberich - Mühle

Das Gericht tagte dreimal jährlich im Kloster Amorbach. Es war mit 14 Schöffen besetzt, aus den Stadtgerichtsschöffen zu Amorbach wurden 6, aus den Dorfgerichtschöffen von Schneeberg, Otterbach, Weilbach und Neudorf jeweils 2 Schöffen gewählt. Diese Zusammensetzung mußte strengstens eingehalten werden, obwohl sich der Kompetenzbereich des Saalgerichts auf weit mehr Dörfer erstreckte. Es ist deshalb bemerkenswert, daß alle Bürger zu Amorbach und alle „Landsidel" (Klosterholden) der Dorfschaften, die das Schöffengericht bildeten, zu den drei Gerichtsversammlungen kommen mußten. Fehlte jemand unentschuldigt, mußte er eine Strafe von 5 Schilling Heller bezahlen. Die kleinen Bußen nahm das Kloster ein, von den großen Bußen nur 3 Zehntel, die anderen 7 Zehntel gehörten dem Schöffengericht, dazu noch ein Mittagessen nach gehaltenem Saalgericht.

Warum wurde diesen 5 Orten eine solche Bedeutung zugemessen? Es sind keine ersichtlichen Gründe mehr dafür feststellbar. Möglicherweise erstreckte sich das Saalgericht, dessen Ursprung auf ältere Zeiten zurückgeht — deshalb beließ es wohl auch das Erzstift bei dem Kloster — ursprünglich nur auf diese Ortschaften. Damit wäre auch ein indirekter Beweis für eine frühere Besiedelung von Schneeberg gegeben. Doch ist heute nicht mehr in Erfahrung zu bringen, was gerade diese Orte miteinander verbinden sollte.


Das Viergericht

Ein speziell eingerichtetes Viergericht befaßte sich mit Grenzstreitigkeiten. Im Dorf wurden Feldgeschworene oder Vierrichter (es waren 4 Personen) aufgestellt, die die Grenze zu überwachen hatten.

Der erste uns bekannte Streit ereignete sich im Jahre 1468. Einige Schneeberger hatten jenseits des Baches am Berg Getreide stehen, das sie nach der Ernte über die Klosterhofwiese und dann durch den Klosterhof in ihre Scheunen fahren wollten. Das wurde ihnen jedoch von dem Kloster nicht gestattet. Daraufhin wurden die vier Landschieder (der Name Viergericht taucht erst später auf) zu Rate gezogen, die bei einer Begehung des „Bühls" und des „Brühls" folgendermaßen entschieden:

„Wan man zwene Tag uff dem Bühl geschniden haben wölle, dan die Frucht haben, so sollen sie allen denen die do Anstößer seint uff dem Bühl am Wege, als die Marckstein steen, solichs verkunden, den Weg zu reumen daß sie ire frucht do auß mogen gefüren. Raumeten sie aber den Wegk nit und ließen die frucht am Wege steen, so es anders verkündth were, so möge sie ire frucht dohin ausführen, eß stee Frucht do oder nit und mit dem Heu das soll man ober die Wiesen fuhren, ober dem Brühl, und kein Frucht oder kein Mist".

Ein Viehhirte bei der arbeit

Im 19. Jh. wurden jährlich zwischen 30 und 40 Fälle vor dem Viergericht verhandelt.


Die Feldschützen

Gerade das „Wachen" und „Aufpassen" War für mehrere Bereiche im Dorf eine dringliche Angelegenheit. So waren die Feldschützen für die Ordnung auf dem Felde zuständig, vor allen Dingen während der Erntezeit, dann waren sogar Nachtwachen abzuhalten. Bei einer Anzeige von Fruchtschaden, der durch „Hinkeln" und Gänse im Jahr 1840 auf den nahe am Ort liegenden Feldern verursacht worden war, wußten die 4 Feldschützen Franz Josef Kuhn, Peter Erbacher, Michael Hof und Franz Josef Hörst folgendes zu berichten:

„Wenn sie Wache halten so seyen immer Hühner in der Frucht, doch alle angrenzenden Bewohner sagen, daß ihre Hühner eingesperrt seyen. Wenn auch die Geziferställe fisidiert werden, so sind auch einige Hünckel eingesperrt, man glaubt, daß dieses nur ein Schein und Deckmantel seye, einige einzusperren und die übrigen laufen zu lassen."

Heute kann man über diesen Einfallsreichtum der Bauern nur schmunzeln.

Im Jahr 1882 mußte der Flurschutz sogar verstärkt werden, und zwar dahingehend, daß neben den Flurschützen auch die Forstaufseher Ignaz Lieb und Franz Link, neben ihrer eigentlichen Aufgabe, der Forstaufsicht, auch den Flurschutz mitzuversehen hatten.


Der Nachtwächter

Oft waren die verschiedenen Aufgaben in einem Dorf miteinander verbunden. So übernahmen z. B. im Jahr 1779 Caspar Erbacher, der Geißhirt, und Martin Kemmerer, der Kuhhirt, die Nachtwache im Dorf.

Die Einwohnerin Gertrud Greulich kann sich noch gut an den letzten Nachtwächter Schneebergs erinnern: Er versah seinen Dienst von 22 Uhr bis 2 Uhr in der Früh. Bei seinem stündlichen Rundgang durch das Dorf kündigte er durch Blasen in sein Horn die jeweils geschlagene Stunde an. So mancher wurde dabei aus seinem Schlaf geschreckt.

Der Nachtwächter mußte nicht nur die Zeit verkünden, sondern auch besondere Vorkommnisse mit seinem Horn bekannt machen, z. B. wenn ein Brand ausgebrochen war.

Die Einführung der Elektrizität machte diese Wache überflüssig. Straßenbeleuchtung, automatisches Uhrwerk und Alarmsirenen übernahmen ihre Funktionen.

Neben der Nachtwache gab es noch, vor allem in den Wintermonaten, Schleichwachen, die ihr Augenmerk auf verdächtige Personen zu richten hatten.


Die Ortspolizei

Die Ortspolizei, die es etwa seit Mitte des 19. Jh. gibt, hatte auch in Schneeberg einen Vertreter. Dieser sorgte vor allem für die Einhaltung der ortspolizeilichen Vorschriften, die in dem Jahr 1862 folgendes beinhalteten:

- 4 Paragraphen zur Reinigung der Straßen und Gassen vor Festen und bei Glatteis und Schnee
- eine Revision der Feldrügordnung mit 3 Paragraphen
- Ordnung der Bäcker (Brotzeichen, Taxe), Verkaufspreis von Brot, Fleisch und Bier betr.
- Verhaltensregeln über Fahren und Reiten auf öffentlichen Straßen:
1) bei Fuhrwerken, die mit Rindvieh bespannt sind, darf bei der Fahrt durch den Ort der Fuhrmann nicht auf dem Fuhrwerk sitzen, sondern muß bei dem Spannviehe gehend dasselbe leiten.
2) Wenn solche Fuhrwerke sich gegenseitig oder einem anderen Gespann außerhalb des Ortes auf den Markungswegen begegnen, so müssen die Fuhrleute der mit Rindvieh bespannten Fuhrwerke behufs der Leitung 25 Schritte vor dem Zusammentreffen von dem Wagen herabsteigen.
3) Innerhalb des Orts darf im schnellen Trab nicht gefahren und geritten werden und schließlich dürfen die Leute des Fuhrwerks auf den Wagen sitzend nicht schlafen.

Im Jahre 1835 muß die Fürstlich Leiningensche Behörde mit strikten Maßregeln eingreifen, „da in der Gemeinde Schneeberg der die finanziellen Verhältnisse der Privaten nicht weniger als die Sittsamkeit, nächtliche Ruhe und Ordnung, so wie die Gesundheit benachteiligende Unfug um sich greife, wonach gelegentlich [= anläßlich] von Kinderzechen, Eheversprechen, Kauf- und Verkaufsverträgen, sowohl in den Wohnungen einzelner Nachbarn, als auch in den Wirtshäusern bis nach eingetretener Polizeistunde gezecht und hierbei sogar schulpflichtigen Kindern Anteil zu nehmen gestattet wurde."

Die Ortspolizei regelte mit 4 Paragraphen die sauberkeit der Schneeberger Straßen

Deshalb beriet der Armenpflegschaftsrat mit dem Gemeindeausschuß, auf welche Weise die Zechgelage eingeschränkt werden könnten, z. B. durch Abgabe des 10. Teils einer solchen Zeche zur Unterstützung der Armen. Wollte man die Polizeistunde übertreten, sei es in Wirts- oder Wohnhäusern, mußte erst die Erlaubnis des Armenpflegschaftsrates und des Herrschaftsgerichtes eingeholt werden.

  • Quelle: Monika Blättner, Heimatbuch „750 Jahre Schneeberg“
  • Foto: Gemeindearchiv Schneeberg
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