Im Mittelalter galten die Mühlen als eine sehr wichtige Einrichtung, denn das Mehl bzw. das Brot war Hauptbestandteil der Nahrung. Deshalb unterlagen sie einer starken Kontrolle, die das Saalgericht durchführte. Nicht unbedeutend war daher auch das Bannrecht, das auf jeder Mühle ruhte. Demnach waren alle Einwohner Schneebergs verpflichtet, ihr Korn in der Schneeberger Mühle mahlen zu lassen; nur die Fronhofsbeständer waren in die untere Mühle nach Amorbach „gebannt". Diese Reglementierung hatte einen nicht zu übersehenden Effekt, sie unterstützte die Reinhaltung der Mühle, denn der Müller hatte durch das Bannrecht seinen festen Kundenstamm und konnte das Mehl stets frisch liefern.
Die erste schriftliche Erwähnung der Mühle liegt für das Jahr 1412 vor. In dem Miltenberger Amtsbuch wird von einem Streit berichtet, der zwischen dem Müller von „Sneidberg" und einem anderen Bürger wegen des Verkaufs eines Pferdes stattgefunden hat. Leider wird der Name des Müllers nicht erwähnt. Aus dem Klosterbuch von 1440 ist zu erfahren, das vor „Johannes Ubelin", der ja vermutlich 1395 Mühlenbesitzer war, ein „Gerlach von Wylenbach" Beständer der Mühle gewesen ist. Möglicherweise stand Gerlach in verwandtschaftlicher Beziehung zu „Cunradus de Wilinbach", dem gewisse Güter in Schneeberg 1237 in Erbpacht gegeben wurden, die Mühle könnte demnach auf diesen Gütern erbaut worden sein.
Bis zum 15. Jh. ist die Mühle im Besitz des Klosters. Vielleicht war sie dem Kloster nicht mehr einträglich genug oder es hatte andere Gründe, dass zwischen 1414 und 1419 die Mühle gegen das „Schneiderhaus" in Amorbach eingetauscht wurde und Kurmainz der neue Eigentümer der Mühle wurde.
Das Kloster erhielt weiterhin das Fastnachtshuhn und einen Geldzins von den Beständern der Mühle. Mainz dagegen bekam einen Geldzins, 2 Kapaune, 9 Malter bestes Korn und ein Fastnachtshuhn. Für die Wartung und Instandhaltung der Mühle musste der Beständer selbst aufkommen, und auch im Falle eines Brandes alles wieder aufbauen, es sei denn der Brand entstünde durch eine Fehde oder Feindschaft, dann hatte der mainzische Keller unentgeltlich Holz und Steine für den Wiederaufbau zu liefern.
Schließlich war die Mühle laut Erbbestandsbrief von 1525 befreit von Bodenzins, Atzung und Frondienst und „was sonst Gebührlichem davon ist und unserem Herrn dem Abt und seinem Kloster pflichtig ist, das sollen sie auch ausrichten und tun ohne unsere gnädigen Herren schaden". Quasi als Sicherheit dafür, dass Gült und Zins auch an die Nachkommen des Kurfürsten weitergezahlt würden, wurde von den Beständern als Pfand ein Acker beim „Geißenbrunnen" und ein Weingut im „Erdfall" verlangt, die später dem Mühlenbesitz einverleibt wurden.
Bei Reparaturarbeiten an der Mühle 1436 war ein Schmied mit Knechten und Mägden zwei Tage lang beschäftigt; der Zimmermann fertigte ein neues, überschlächtiges Rad (= ein Wasserrad, das durch das Gewicht des von oben herabfallendem Wassers in Drehung gebracht wird) für die Mühle und schlug Holz für die „Kampredde". 1444 ließ die Kellerei, nachdem die Mühle erneuert worden war, das mainzische Wappen an die Mühle malen.
Zum Betrieb der Mühle
Die Wasserkraft
Das Wasser war die einzige Antriebskraft der Mühle. Es setzte das Mühlrad in Bewegung und veranlaßte so alle weiteren Vorgänge, die zum Mahlen notwendig waren. Der Mühlgraben wurde einige hundert Meter vor der Mühle von dem Marsbach abgeleitet und dann nach oben auf diese zugeführt. Noch heute ist der Mühlgraben vorhanden, doch wurde er bei Straßenbauarbeiten in den 70er Jahren teilweise in Rohre verlegt. Er tritt erst wieder in dem kleinen Becken an der Mühle zutage, in dem sich früher das Wasser staute und für den Weiterlauf über das Mühlrad bereitgehalten wurde. Auch für die Bauern war das Wasser zur Wiesenbewässerung sehr wichtig und es mußten Regelungen zur Wassernutzung getroffen werden, mit denen nicht immer alle Beteiligten einverstanden waren. Schon 1600 kam es zu einem Streit zwischen dem Müller Georg Englert und den Nachbarn zu Schneeberg:
Die Schneeberger waren von alters her berechtigt, ihre Wiesen unter- und oberhalb des Mühlwehrs durch Abziehen des Wassers aus dem Mühlgraben und dem Wehr zu bewässern. Dafür standen ihnen festgelegte Tage zur Verfügung. Doch der Müller öffnete ab und zu das Wehr nicht, oder schloss es wieder zu früh, oder die unteren Wiesenbesitzer bekamen nicht genügend Wasser, wenn die Besitzer der oberen Wiesen tags zuvor die Wiesen bewässert hatten, oder es kam zu Überschwemmungen der Wiesen durch beschädigte oder geschlossene Wehre. All diese Streitigkeiten kamen noch einmal 1859 auf den Tisch und es wurde ein Vertrag zwischen dem Müller Friedrich Metzger und den Dorfwiesenbesitzern aufgesetzt, der 11 Punkte zur Regelung der Wassernutzung beinhaltete.
1837 beschwert sich der Müller Walter bei dem Eisenhammerbesitzer Kurtz von Rippberg, daß er das Wasser zu lange in seinem See halte und Walter somit im Sommer von Samstagmittag bis Montagabend sowie mittwochs und donnerstags nicht mahlen könne.
Das Wasser war nicht nur hilfreich, sondern hatte auch die Kraft zu zerstören. Bei einem Unwetter 1845 wurden ganze Wiesenstücke fortgerissen und zerstört, Wasserwehre total ruiniert und fortgeschwemmt. Auch bildeten sich neue Bachbette, die sich tief in den Wiesengrund eingegraben haben. Dem Müller kam das Unwetter teuer zu stehen; da das Mühlwerk völlig zerstört war, musste er 1124 Gulden 29 Kreuzer für ein neues aufbringen.
Das Holz
Das nötige Holz für Reparaturen des Mühlwerks usw. stellte dem Müller die Gemeinde Schneeberg. Die Einwohner mußten es als Fron zur Mühle liefern, erhielten jedoch dafür Speis und Trank. Nach einem Vergleich von 1791 bekam der Müller 2 Klafter Brenn-, Bau- und Werkholz ganz billig und 200-300 Wellen unentgeltlich. Früher erhielt er soviel er wollte, was sich zwischen 6-10 Holzfuhren eingependelt hatte.
Zu dem sonstigen Inventar der Mühle zählten beispielsweise 1816: 3 Pferde, 3 Kühe, 18 Schweine, 12 Hühner, 5 Gänse, eine eiserne Egge mit Pflug, ein Wagen mit Belten, das Mühlgeschirr, bestehend aus einer großen Waage, einer Winde, 2 Hebeisen, einem Steinschlegel, 4 Billen (=eine zweischneidige Haue aus Stahl zum Steineschärfen), 2 Zweispitze, 27 Siebe, 4 Mühlwannen und ein Handbeil.
Die Mühle als Ursache von Streitigkeiten
1) Das Einwenden der Schneeberger wegen Herrn Centgrafs ruhender Freiheit auf seiner Mühle
Wie schon gegen die auf dem Klosterhof ruhende Freiheit, zogen die Schneeberger auch gegen die Bevorzugung der Mühlbeständer zu Felde.
Bei einem ungefähr 30 Jahre währenden Streit zwischen der Gemeinde Schneeberg und dem Mühlbeständer, Zentgraf Johann Thomas Bauer, zu Beginn des 18. Jh., ging es um die Zahlung der Landbeeth, bzw. Schatzung (= Steuer), die die Gemeinde, wie von jedem anderen Beständer zuvor auch, von diesem forderte. Bauer pochte jedoch auf seine im Erbbestandsbrief zugesicherten Freiheiten.
Als die Schneeberger vor Gericht zogen und mehrmals Recht erhielten, Bauer sich aber trotzdem nie bereit zeigte, die Steuer zu zahlen, schritt der damalige Schneeberger Klosterschultheiß Jörg Büchler im Jahre 1705 selbst zur Tat.
An einem Tag, es war der 12. des Monats August, machte sich der Müller mit seinem Wagen auf den Weg nach Amorbach, um dort die 12 Malter Korn Gült abzuliefern. Doch er kam nicht weit. Vielleicht vor dem Rathaus — am heutigen Brunnenplatz gegenüber dem Gasthaus „Zum Hirsch" — warteten eigens dazu abgestellte Gemeindemänner, um den Müller aufzuhalten und nahmen ihm unter Beschimpfung auf öffentlicher Straße 6 Malter Korn weg, welche tags darauf an einige Nachbarn öffentlich versteigert wurden. Doch nicht einmal dadurch ließ sich der hartgesottene Zentgraf erweichen, er weigerte sich weiterhin, die Landbeet zu zahlen und der Streit endete erst mit seinem Tod - im Jahr 1730.
2) Das Kloster erhebt seine Ansprüche
Wieder einmal war es das Besthaupt, das Verwirrungen stiftete. Nach dem Tode des Mühlbeständers Joh. Thomas Bauer erhob die mainzische Kellerei das Besthaupt.
Als das Kloster sein Drittel, das ihm laut Jurisdiktionalbuch zustand, forderte, machte ihm der Keller dieses Recht streitig. Doch zog die Kellerei dieses Mal den Kürzeren, denn die kurfürstlich mainzische Regierung entschied zugunsten des Klosters, dem man seinen rechtmäßigen Anteil nicht entziehen könne. Die Kellerei war damit verpflichtet, von dem bereits ganz erhobenen Besthaupt ein Drittel an das Kloster abzuliefern. Sie ließ sich damit allerdings etwas Zeit und bezahlte die 50 Gulden erst nach einem halben Jahr.
3) Verstöße gegen das Bannrecht
Über das Bannrecht der Mühle wird im Erbbestandsbrief von 1672 folgendes gesagt:
„Im Übrigen der Beständer, so viel an ihm ist, (d. h. was in seiner Macht steht) solle verhüten, dass die Mahlgäst bei der Mühl behalten und fremde Müller nicht beigelassen werden und da dergleichen vorgenommen werden sollte, solches unserem Keller daselbst zeitlich anzeigen. Hingegen solle auch der Müller schuldig sein, seine Mahlgäste im Mahlen der Früchte zu befördern und denselben nach Abzug gehöriger Nutzung (= Naturallohn) das Mehl treu liefern."
Allerdings befolgten die Schneeberger nicht immer die ihnen auferlegte Bannpflicht: Im Jahre 1811 beschwerte sich der Müller Walter bei der fürstlichen Domänenkanzlei, dass der Hirschwirt und Bäckermeister Josef Henn seine zu mahlenden Früchte in die Zittenfeldener Mühle gebracht hätte. Zwar bringt Henn auf diese Anklage hin vor, dass Walter das Korn schlecht gemahlen hätte, er deshalb neuen Dinkel in Großheubach kaufen musste und diesen nach Zittenfelden gebracht habe.
Walter, der behauptete, dass von Henn gelieferte Korn sei schlecht gewesen, erhält Recht und so musste der Bäckermeister 5 Gulden Strafe wegen Missachtung des Bannrechts zahlen, von der die Hälfte der Müller, die andere der Lehnseigentümer — also der Fürst — erhielten. Die anderen Müller wurden nach diesem Vorfall durch Ausschreibungen daran erinnert, dass das Mahlen für Schneeberger Einwohner verboten sei. Dem Kläger wurde abschließend eingeschärft, dass er seine Mühle in solchem Stand herzustellen und zu unterhalten habe, dass die Ortsleute wegen zu schlechten Mahlens bei ordentlichen Früchten keine Beschwerden hervorbringen könnten.
In den 30er Jahren des 19. Jh. beginnt sich die Bannpflicht immer mehr aufzulösen. Schon seit 1828 verweigern einige Schneeberger das Mühlbannrecht und lassen das Mehl beispielsweise von Breitendiel oder Zittenfelden einführen. Allerdings müssen sie 1834 wegen der 6jährigen Verletzung des Bannrechts an das fürstliche Rentamt eine Entschädigung von 367 Gulden 12 Kreuzer zahlen. Den Müller konnte die Aufhebung der Bannpflicht natürlich nicht erfreuen. Vergebens strengte Walter einen Prozess gegen die fürstliche Standesherrschaft an, um einen Ersatz für die gesicherte jährliche Einnahmequelle von 200 Gulden zu bekommen. Etwa 10 Jahre lang änderte sich nicht viel, da doch die meisten Einwohner der Schneeberger Mühle treu blieben.
Nach einer Überschwemmung 1845 war der Fruchtstand sehr geschwächt und seit dieser Zeit blieben auch die Mahlgäste aus, so dass Walter 1848 um einen Gültnachlass bitten musste.
Die Beständer der Mühle
Die Bewirtschaftung der Mühle ist nicht immer einfach gewesen. Schon seit dem 17. Jh. war sie in keinem besonders guten Zustand. Der Zerfall schritt immer weiter fort, da die meisten Beständer kein Geld zur Renovierung hatten und die Mühle mit großen Schulden abgaben. Erst 1784 wurde ihr Zustand durch den Müller Franz Speth beträchtlich verbessert. 5 Jahre später erneuerte er sogar das ganze laufende Werk von Grund auf und setzte nach 5jähriger Ausdüngungszeit junge Rebstöcke auf die Mühl eigenen Weinberge.
Doch auch Franz Speth ereilte das altbekannte Schicksal der Mühlenbesitzer. Die herrschenden Missjahre hatten die Ernte zerstört und nur wenig Wein wachsen lassen. 1790 musste Speth schließlich Stefan Uhrig aus Reinhardsachsen als Unterpächter aufnehmen, von dem er 140 Gulden, 9 Malter Korn Gült und die Hälfte der herrschaftlichen Gelder als Pachtpreis einnahm. 2 Jahre später wanderte Franz Speth nach Amerika aus; seine zurückgelassene Ehefrau bewirtschaftete die Mühle weiterhin, doch da sie sich nicht auf das Müllerhandwerk verstand, musste auch sie die Mühle verkaufen.
Nachdem der Käufer Johann Georg Sauer aus Schönmattenweg die Mühle, noch ehe er den Erbleihbrief erhielt, wieder veräußerte, bekam sie erst wieder mit der Familie Walter einen dauerhaften Beständer.
Die Müller waren im Laufe der Zeit
14./15. | Jh. Gerlach von Wylenbach |
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Johannes Ubelin | |
um 1440 | Wolf Heeß |
1459 | Peter Sauerweid |
1525 | Hans Zwolfskes |
1560 | Haintz Englert |
1571 | Hans Kuhn |
1572 | Martin Kuhn |
1599 | Georg Englert |
1672 | Johann Thomas Bauer (Pächter) mit Hans Speth (Müller) * verstorben vor 1680 |
1751 | Josef Speth * 25.03.1697 / + 05.08.1763 |
Valentin Lorenz Speth (Sohn von Josef Speth) * 09.08.1724 / + 10.12.1799 | |
1782 | Josef Michael Volck (Schwiegersohn von Josef Speth) * um 1750 / + vor 10.1828 |
1784 | Franz Speth |
1823 | Franz Jos. Walter * 16.09.1778 / + 23/25.12.1853 |
1859 | Friedrich Metzger * 1826 / + 13.02.1887 |
1878 | Jos. Anton Meidel * 22.10.1800 / + 20/22.09.1869 |
1909 | Eduard Berberich * 23,02,1877 / + 26/29,08.1945 |
1940 | Robert Berberich * 06.06.1910 / + 07.04.1980 |
Der Mahlbetrieb wurde 1973 eingestellt.